Präventive Restrukturierung

Neue Wege für die Bewältigung einer Unternehmenskrise!

Bis zum Ende des vergangenen Jahres gab es für Unternehmen in einer finanziellen Krise nur die Möglichkeit, sich entweder mit allen Gläubigern einstimmig über die Sanierung und die Beiträge der einzelnen Gläubiger zu einigen oder - gelingt dies nicht - Insolvenzantrag zu stellen, um die Sanierung im Insolvenzverfahren ggf. im Rahmen der Eigenverwaltung oder im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens anzustreben. Mit Inkrafttreten der EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen wurde der Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 21.07.2021 einen sog. präventiven Restrukturierungsrahmen einzuführen. Dieser soll die frühzeitige, außergerichtliche Sanierung bestandsfähiger Unternehmen mittels eines mit Mehrheitsentscheidung der betroffenen Gläubiger zu verabschiedenden Restrukturierungsplanes ermöglichen. Aufgrund der massiven wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise und der befürchteten Insolvenzwelle war der Druck auf den Gesetzgeber gestiegen, schnell tätig zu werden, um betroffenen Unternehmen zusätzliche Möglichkeiten der Sanierung zu eröffnen. Die zum 01.01.2021 eingeführten Gesetzesänderungen beinhalteten zunächst Verlängerungen der wegen der Corona-Krise eingeführten Erleichterungen der Insolvenzantragspflicht für haftungsbeschränkte Unternehmen. Zudem wurden die für Geschäftsführer und Vorstände wichtigen Haftungsnormen für Zahlungen nach Insolvenzreife in die Insolvenzordnung überführt. Kernstück der Gesetzesreform ist aber das neue Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetz (StaRUG), welches die EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen umsetzt. 

Hindernisse außergerichtlicher Sanierungen und Ziele des präventiven Restrukturierungsrahmens

Außergerichtliche Sanierungen, welche Sanierungsbeiträge von Gläubigern erfordern, waren nur mit einstimmiger Unterstützung der Gläubiger möglich. Nach stetiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind Gläubiger nicht verpflichtet, Sanierungen zu unterstützen. Es besteht dazu — auch aus einer langjährigen Kundenbeziehung zwischen der Bank und dem Kunden heraus— keine Treuepflicht. Dies gilt selbst dann, wenn die Sanierung objektiv sowohl für den Gläubiger als auch für den Schuldner sinnvoll ist und voraussichtlich zu einem besseren Ergebnis als eine Insolvenz führt. Daraus folgt, dass außergerichtliche Sanierungen die Unterstützung aller betroffenen Gläubiger erforderten und einzelne Gläubiger diese blockieren konnten. Insbesondere weil Banken notleidende Kredite verstärkt an sog. Distressed Debt Investoren verkauften, zeigten sich in der Praxis immer wieder Situationen, in denen diese Distressed Debt Investoren aus ihrer Blockadeposition Vorteile zu ziehen versuchten, indem sie Sanierungen entweder blockierten, um andere Gläubiger zu überproportionalen Beiträgen zu zwingen oder aber Sanierungen zum Scheitern brachten, um das schuldende Unternehmen dann im Rahmen eines Debt-Equity-Swaps aus der Insolvenz selbst zu übernehmen. Auch in Bankenkonsortien bestand regelmäßig aufgrund unterschiedlicher Geschäftspolitik und Interessenlagen unterschiedliche Bereitschaft, eine Sanierung zu unterstützen, so dass auch in solchen Fällen Sanierungen an der erforderlichen Einstimmigkeit scheitern konnten. Praktisch nahezu nicht umsetzbar waren außergerichtliche Sanierungen schließlich, wenn Beiträge einer Vielzahl von Gläubigern (z. B. Lieferanten) erforderlich waren. In solchen Fällen blieb oftmals nur der Weg der Sanierung in der Insolvenz.

 

Auch Gesellschafter, deren Beteiligung schon „aus dem Geld" war, weil die Verbindlichkeiten das Vermögen der Gesellschaft überstiegen, hatten große Möglichkeiten, Sanierungen durch Verweigerung der erforderlichen Mitwirkung zu blockieren. Zwar hatte die Rechtsprechung in Einzelfällen eine aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht resultierende Sanierungspflicht der Gesellschafter abgeleitet. Diese beschränkte sich jedoch stets darauf, eine Sanierung nicht zu blockieren und z. B. eine Verwässerung der Anteile hinzunehmen, begründete jedoch keine aktive Sanierungsunterstützungspflicht. Auch die Gesellschafter konnten daher in einer außergerichtlichen Sanierung trotz Wertlosigkeit des Eigenkapitals wie ein Akkordstörer wirken und sinnvolle Sanierungen blockieren.

 

Ziel des neuen Restrukturierungsrahmens ist es, außergericht­liche Sanierungshindernisse zu überwinden, um bestandsfähigen Unternehmen eine frühzeitige Möglichkeit der finanziellen und operativen Sanierung zu bieten und dadurch Insolvenzen zu vermeiden. Bezogen auf die aktuelle Situation in Deutschland bedeutet dies, dass insbesondere die vorstehend beschriebene Akkordstörerproblematik unter den Gläubigern durch Einführung von Stabilisierungsanordnungen (Kündigungs- und Vollstreckungsschutz) und Mehrheitsentscheidungen sowie die Möglichkeit des Eingriffs in Gesellschafterrechte geregelt werden. Welche Voraussetzungen an solche Anordnungen zu stellen sind und ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen in Gesellschafterrechte einzugreifen ist, war jedoch stark umstritten. Das nun vorliegende neue  Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetz (StaRUG) sieht sowohl Stabilisierungsanordnungen als auch den regelbaren Eingriff in Gesellschaftsrechte vor.

 

 

Zugang zum präventiven Restrukturierungsrahmen 

Unternehmen haben im Falle einer drohenden Insolvenz Zugang zu einem vorinsolvenzlichen Restrukturierungsrahmen. Die genaue Definition des Begriffs der drohenden Insolvenz bleibt gemäß der EU-Richtlinie dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten, wobei das StaRUG an den Begriff der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzordnung anknüpft. 

 

 

Eigenverwaltung

Der Schuldner wird im Rahmen des Restrukturierungsverfahrens die vollständige oder teilweise Kontrolle über sein Unternehmen und sein Vermögen behalten. Ihm wird nur in wenigen Fällen zwingend ein vom Gericht zu bestellender sog. Restrukturierungsberater zur Beratung und Überwachung zur Seite gestellt. Zwingende Fälle der Bestellung eines Restrukturierungsberaters nach dem neuen StaRUG sind:

-       die Anordnung einer gegenüber allen zumindest wesentlichen Gläubigern wirkenden Stabilisierungsanordnung,

-       die voraussichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplanes durch klassenübergreifende Mehrheitsentscheidung und

-       der Antrag des Schuldners oder der Gläubiger. 

 

 

Stabilisierungsanordnungen

Der Restrukturierungsrahmen sieht vor, dass Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung für eine Dauer von zunächst drei Monaten ausgesetzt werden können, sog. Stabilisierungsanordnungen. Diese gelten sowohl für gesicherte als auch für ungesicherte Gläubiger. Sie können gegenüber einzelnen oder aber gegen­über allen Gläubigern wirken und können auf maximal acht Monate verlängert werden, wenn die Verlängerung erforderlich ist, um aussichtsreiche Sanierungsverhandlungen zu Ende zu führen. Aufgrund des damit verbundenen erheblichen Eingriffs in die grundgesetzlich geschütz­ten Eigentumsrechte der Gläubiger hat wohl der Gesetzgeber davon abgesehen, den durch die EU-Richtlinie möglichen Rahmen von zwölf Monaten voll auszuschöpfen. 

 

Folge der Anordnungen ist zunächst, dass die einbezogenen Gläubiger keine Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen mehr gegen das schuldnerische Unternehmen durchführen können. Diese werden ausgesetzt. Weitere Folge ist, dass während der Dauer der Anordnungen Insolvenzantragspflichten grundsätzlich suspendiert werden, also grundsätzlich keine Pflicht besteht, Insolvenzantrag zu stellen. Dafür ist aber zukünftig eine während des Verfahrens eintretende Insolvenzantragspflicht dem Gericht anzuzeigen. Das Verfahren über einen Insolvenzantrag eines Gläubigers wird während der Anordnungsdauer ausgesetzt.   

 

Weitere Folge ist, dass Gläubiger bestehende Verträge nicht allein aufgrund von der Stabilisierungsanordnung erfasster unbezahlter Forderungen beendigen oder aufgrund solcher Forderungen Zurückbehaltungs-und Leistungsverweigerungsrechte geltend machen können. Außerdem können Verträge nicht aufgrund der Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens gekündigt werden. Der Sanie­rungsrahmen bietet nicht alle Möglichkeiten der Sanierung in der Insolvenz. So sieht er insbesondere nicht die Möglichkeit des Schuldners vor, den Nichteintritt in Verträge zu erklären, Dauerschuldverhältnisse mit einer kurzen Frist zu kündigen oder Sozialplanansprüche im Falle von Kündigungen zu begrenzen (§§ 103 ff. ff InsO). Die ursprünglich vorgesehene Möglichkeit, auf Antrag der Schuldner die Befugnis einzuräumen, bestimmte Verträge zu beenden, wurde im letzten Teil des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen. 

 

 

Restrukturierungsplan 

Der Restrukturierungsplan ist das Kernstück des Restrukturierungsverfahrens. In diesem sollen das Unternehmen, die Vermögensverhältnisse, die Gründe der Krise und die angedachten Sa­nierungsmaßnahmen dargestellt werden, um den Gläubigern eine Entscheidungsgrundlage für die Annahme oder Ablehnung des Planes zu geben. Der Restrukturierungsplan soll ermöglichen, durch Mehrheitsentscheidung in Rechte der Gläubiger einzugreifen, indem deren Forderungen z. B. gestundet werden oder auf diese verzichtet wird. Für die Abstimmung über den Restrukturierungsplan sind die Gläubiger in unterschiedliche Gruppen mit gleichgelagerten Interessen einzuteilen. Voraussetzung für die Annahme ist zunächst die Zustimmung einer Mehrheit in jeder Gruppe. Dabei steht es dem nationalen Gesetzgeber offen zu definieren, ob die Summenmehrheit in jeder Gruppe ausreicht oder aber ob daneben auch eine Kopfmehrheit verlangt wird. Weiter ist freigestellt, mit welchem Quorum die Annahme erfolgen muss, wobei maximal eine Mehrheit von 75% der Stimmen gefordert werden soll. An dieser Stelle geht der deutsche Gesetzgeber mit dem neuen StaRUG bewusst einen eigenständigen Weg, indem er für die Zustimmung innerhalb der Gläubigergruppen lediglich eine Summenmehrheit von 75 % verlangt und dafür auf eine Kopfmehrheit verzichtet. Überstimmte Gläubiger werden über das sog. Kriterium des Gläubigerinteresses geschützt. Danach dürfen sie durch den Plan nicht schlechter gestellt werden, als sie bei Anwendung der Verteilungsreihenfolge in einer Liquidation, sei es als Einzelverwertung oder als Veräußerung als fortgeführter Betrieb, oder im nächstbesten Alternativszenario stünden. Rügt ein Gläubiger den Restrukturierungsplan wegen Verstoßes gegen das Kriterium des Gläubigerinteresses, entscheidet das Gericht und prüft dabei, ob eine solche Schlechterstellung vorliegt.

 

Sollte der Restrukturierungsplan nicht durch alle Gläubigergruppen angenommen werden, kann die Zustimmung einer Gläubigergruppe im Wege einer klassenübergreifenden Zustimmungsersetzung erreicht werden (sog. Cross-Class Cram-Down). De Ersetzung kann erfolgen, wenn die Mehrheit der abstimmenden Gruppen, in Fall von nur zwei Gruppen dann die andere Gruppe, mit der erforderlichen Stimmenmehrheit zugestimmt hat. Dabei dürfen die zustimmenden Gruppen nicht ausschließlich durch Anteilsinhaber oder nachrangige Restrukturierungsgläubiger gebildet werden. Die überstimmte Gläubigergruppe wird dabei auch durch das Kriterium des Gläubigerinteresses geschützt.

 

 

Schließlich steht es dem nationalen Gesetzgeber frei zu entscheiden, ob der Restrukturierungsplan auch Eingriffe in Gesellschafterrechte vorsehen kann oder nicht. Die Tatsache, dass das Eigenkapital grundsätzlich vor dem Fremdkapital haftet und ohne Eingriffsmöglichkeiten den Gesellschaftern eine Blockadeposition einräumen würde, spricht für die Möglichkeit eines solchen Eingriffs. Andererseits müssen die Eigentümer auch vor aggressiven Loan-to-Own Strategien sog. Distressed Debt Investoren und damit einhergehenden zwangsweisen Ent­eignungen geschützt werden. Trotz der Bedenken gegen die Zulässigkeit eines Eingriffs in die Rechte der Anteilsinhaberinnen sieht das nun geltende StaRUG entsprechende Eingriffsmöglichkeiten vor, sofern die Betroffenen durch den Restrukturierungsplan nicht schlechter gestellt werden.

 

 

Fazit

Der präventive Restrukturierungsrahmen mit dem zum 01.01.2021 in Kraft getretenen Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetz (StaRUG) schafft neue Möglichkeiten der außergerichtlichen Sanierung von Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Insbesondere wird er sich dazu eignen, sinnvolle und im Interesse aller Betroffenen liegende finanzielle Restrukturierungen mit Mehrheitsentscheidungen durchzusetzen und dabei vor Akkordstörern geschützt zu sein. Vielen Unternehmen wird dadurch hoffentlich der Weg in ein Insolvenzverfahren erspart. 

Andererseits wird es auch künftig Fälle geben, in denen das Insolvenzverfahren die besseren Werkzeuge für eine nachhaltige Sanierung bereitstellt (z. B. aufgrund erleichterter Kündigungsvorschriften, der Möglichkeiten, den Nichteintritt in Verträge zu erklären, etc.). Es wird daher nach Einführung des präventiven Restrukturierungsrahmens abzuwägen sein, ob die Sanierungsmöglichkeiten des Restrukturierungsrahmens oder die des Insolvenzverfahrens im konkreten Fall das bessere Sanierungsmittel darstellen.


Ein Beitrag unseres Gastautoren Michael Sack, Rechtsanwalt/ Fachanwalt für Insolvenzrecht.

       über 25 Jahre Erfahrung in Sanierung, Restrukturierung, Eigenverwaltung und Insolvenzverwaltung

       Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bereich Insolvenzverwaltung sowie Restrukturierung und Beratung in der Krise mit Schwerpunkt Eigenverwaltung

       Schwerpunkt-Branchen sind Automotive, Gesundheitswesen, Immobilien, IT, Logistik und Nahrungsmittel

       Seit 1999 als Insolvenzverwalter tätig, Listung und Bestellung an Gerichten in Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt

Manuel Sack 

Rechtsanwalt/Fachanwalt für Insolvenzrecht

Brinkmann & Partner 

Rechtsanwälte Steuerberater Insolvenzverwalter

Kurfürstendamm 40/41

10719 Berlin

Mail:    m.sack@brinkmann-partner.de

Tel.:    030 3083018-0


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